
Arbeitsbuch 26
Heart of the City II
Recherchen zum Stadttheater der Zukunft. Arbeitsbuch 2017
Herausgegeben von Dorte Lena Eilers und Jutta Wangemann
Paperback mit 180 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISBN 978-3-95749-099-5, Mit zahlreichen farbigen Abbildungen
Die Suche nach dem „Stadttheater der Zukunft“ ist gedanklicher Antrieb am Theater Freiburg in der Intendanz von Barbara Mundel seit 2006. Das Arbeitsbuch „Heart of the City“ versammelte 2011 einen Zwischenstand öffentlichen Nachdenkens über die Rolle des Stadttheaters in einer sich verändernden Gesellschaft. Anlässlich des Freiburger Intendanzwechsels im Sommer 2017 aktiviert „Heart of the City II“ unterschiedlichste Erfahrungen aus nunmehr elf Jahren Arbeitspraxis: Wie beweglich ist das Stadttheater zwischen Veränderungsdruck und struktureller Komplexität? Wann setzen sich in der Zusammenarbeit mit Theaterlaien, freien Gruppen und internationalen Partnern eher die Vorzüge als die Nachteile der verschiedenen Systeme durch? Muss ein Mitarbeiterprojekt bereits an der gemeinsamen Terminfindung scheitern? Wie lässt sich Kunstfreiheit plus Zuschauerbindung in Zeiten globaler Umschichtungen und gesellschaftlicher Polarisierungen verwirklichen? Und welche best-practice-Modelle gibt es in Schulen, Universitäten, Museen, Archiven? Das neue Arbeitsbuch reflektiert ein städtisches Dreispartenhaus als gelebtes Widerspruchsfeld voller Fragen, die uns auch im gesellschaftlichen Großformat beschäftigen.
Wie wollen wir zusammenleben? Sind wir als Gesellschaft bereit, Differenzierungsleistungen zu erbringen, die uns etwas kosten? Oder sichern wir unsere Identitäten durch Ausgrenzung und Erzählungen einer einfachen Welt? Welchen Umgang finden wir mit Ängsten und Projektionen? Welche Störungen brauchen wir, um zukunftsfähig zu sein? Was hält uns trotzdem zusammen? Migration, digitale Medien und globale Märkte versetzen verschieden lebende und denkende Menschen in neue Nachbarschaften. Der gegenwärtige vielschichtige Paradigmenwechsel und die gesellschaftlichen Polarisierungen spülen Fragen hoch, die auf den Kern unseres kollektiven Selbstverständnisses zielen. Sie betreffen auch den Auftrag, das Selbstverständnis, die Strukturen und die Arbeitsweisen unserer Institutionen. Die Produktion des Anderen ist das Kerngeschäft der Kunst. Für die kulturelle Leistung, einen Umgang mit dem Anderen zu finden, stellt die Institution Stadttheater Erfahrungs-, Übungs- und Streiträume bereit. In welchem Zustand befindet sich unsere kritische Öffentlichkeit? Wie beweglich ist das Stadttheater zwischen Veränderungsdruck und der Komplexität des Betriebs? Wie weit kann es seine Strukturen und Netzwerke nutzen, hinterfragen, strapazieren?
Die Suche nach dem „Stadttheater der Zukunft“ ist seit 2006 gedanklicher Antrieb am Theater Freiburg in der Intendanz von Barbara Mundel. Das Arbeitsbuch „Heart of the City. Recherchen zum Stadttheater der Zukunft“ veröffentlichte 2011 Überlegungen zur Rolle des Stadttheaters in einer sich verändernden Gesellschaft. Anlässlich des Freiburger Intendantenwechsels im Sommer 2017 aktiviert „Heart of the City II“ Erfahrungen aus der Arbeitspraxis der vergangenen Jahre für ein Überprüfungs- und Umsetzungsheft: Was können wir aus dem Erreichten, Probierten, Gescheiterten lernen? Wohin weisen unabgeschlossene Prozesse? Mit welchen neuen Faktoren und Fragen muss sich die Institution Stadttheater auseinandersetzen? Unter fünf Schlüsselbegriffen – Stadt, Resonanz, Institution, Begegnung, Erbe – versammelt das Arbeitsbuch Selbst- und Fremdbefragungen, Gesprächsrunden, Bad- und Better-Practice-Beispiele, Tiefenbohrungen an symptomatischen Stellen sowie Seitenblicke in andere Zusammenhänge und Institutionen.
Ausgehend von den Thesen des US-amerikanischen Politologen Benjamin Barber, diskutieren drei europäische Bürgermeister das Potenzial der Stadt als politischer Akteur auf globaler Ebene. Als Avantgarden des Zusammenlebens und kulturelle Gesamtkunstwerke, als deren Mitgestalter sich auch das Stadttheater versteht, sind Städte Identitätsprovider jenseits von Nationen, quer durch Communitys, und spielen so auch eine steuernde Rolle für ein neues Europa, das sich die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot als Republik vorstellt.
„Kunstgeschehen ist Resonanzgeschehen“, sagt der Soziologe Hartmut Rosa. Wobei eine Resonanzbeziehung in der Natur, der Musik oder eben im Theater dann gelingt, wenn wir uns in ihr als veränderbar erleben. Welche Räume braucht unsere Gesellschaft dafür? Was bedeutet es für das Theater als Ort der vielen, wenn andere Öffentlichkeit generierende Medien, wie etwa die Zeitungen, in der Krise sind? Wie lassen sich in der Oper soziale (Radikalisierungs-) Prozesse simulieren und analysieren? Und welche gesellschaftlichen Interaktionen, fragt der Regisseur und Sänger Schorsch Kamerun den Trainer des SC Freiburg Christian Streich, finden beim Massenmedium Fußball statt?
Theater kann Diversität inszenieren, Grenzen der Verständigung produktiv machen und die Fähigkeit trainieren, mehrdeutige Situationen nicht nur auszuhalten, sondern auch zu gestalten. Doch welche Ressourcen sind dafür nötig? Während das Kapitel „Begegnung“ ausgewählte Langzeitprojekte aus elf Jahren Theater Freiburg analysiert, erinnert die Philosophin Bojana Kunst an den idealistischen Glutkern der Institution. Wie kann im gelebten Widerspruchsfeld eines Dreispartenhauses zwischen Auftrag, Anspruch und Alltag Freiheit organisiert werden? Wie geht Veränderung im laufenden Betrieb? Wann setzen sich in der Arbeit mit Theaterlaien, freien Gruppen und internationalen Partnern eher die Vorzüge als die Nachteile der verschiedenen Systeme durch? Wie viel künstlerische Mitbestimmung ist möglich?
Und wie lassen sich Erfahrungen und Kunstwissen von Personen lösen und weitergeben? Wo brauchen wir den Bruch und das Vergessen? „Wer erbt, interpretiert“ lautet eine der Thesen des Literaturwissenschaftlers Gerhard Richter. Erben ist Zukunftsgestaltung: für ein Stadttheater, eine Stadt, eine Gesellschaft, die sich nicht als feststehende Errungenschaft begreift, sondern sich wieder und wieder den Fragen an das Miteinander von morgen stellt.
Dorte Lena Eilers und Jutta Wangemann
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Stadt | |
Wenn Bürgermeister die Welt regiertenÜber die Zukunft der Städte als global vernetzte Orte der Vielfalt, Solidarität und Offenheit. Ein Grußwort und sieben Fragenvon Benjamin Barber | Seite 12 |
Städte neu erzählenBart Somers, Spiros Pengas und Dieter Salomon im Gespräch mit Thomas Frickervon Bart Somers, Spiros Pengas, Dieter Salomon und Thomas Fricker | Seite 14 |
Republik EuropaUlrike Guérot über den neuen Bürgerkrieg, das Erbe der europäischen Aufklärung und die Revolution im Kopf durch die Kraft der Kunst im Gespräch mit Jutta Wangemann und Dorte Lena Eilersvon Dorte Lena Eilers, Jutta Wangemann und Ulrike Guérot | Seite 17 |
Resonanz | |
Variationen unseres SelbstDer Soziologe Hartmut Rosa über Theater als Resonanzraum, sein revolutionäres Potenzial und dessen Gefährdung durch die Ökonomie im Gespräch mit Dorte Lena Eilers und Jutta Wangemannvon Dorte Lena Eilers, Jutta Wangemann und Hartmut Rosa | Seite 22 |
Fotostrecke „Bambi lernt für’s Leben“von Velvet, Maurice Korbel und Ensemblevon Velvet | Seite 27 |
Von Kerngeschäften und Totenköpfen ohne AusredenEin Telefongespräch zwischen Regisseur und Sänger Schorsch Kamerun und Christian Streich, dem Cheftrainer des Fußballklubs SC Freiburgvon Schorsch Kamerun und Christian Streich | Seite 35 |
Einfach machen, was die Zeitung nicht macht?Warum Theater in Zeiten der Medienkrise dringlicher als bisher Räume für Stimmenvielfalt und öffentliche Diskurse bieten müssen. Milo Rau, Autor Guy Krneta und Tobi Müller im Gesprächvon Guy Krneta, Milo Rau, Tobi Müller und Julia Reichert | Seite 38 |
In welchem Chor stehe ich hier eigentlich?Raumbühnen und Totaltheater – Katrin Wittig, Dominica Volkert sowie Ludger Engels und Michael von zur Mühlen über die Ausweitung der Opernzone im Gespräch mit Dorte Lena Eilersvon Dorte Lena Eilers, Ludger Engels, Michael von zur Mühlen, Katrin Wittig und Dominica Volkert | Seite 49 |
Institution | |
Imagination und InstitutionWarum wir Kunstorte nie als feststehende Errungenschaften verstehen sollten – Über die poetischen Prozesse der Institutionalisierungvon Bojana Kunst Stromajer | Seite 56 |
Corporate CitizenshipWie geht Veränderung im laufenden Betrieb? Malte Jelden und Björn Bicker im Gespräch mit Veit Arlt und Kathrin Feldhaus von Turbo Pascal über das „Munich Welcome Theatre“von Björn Bicker, Malte Jelden, Veit Balthasar Arlt und Kathrin Feldhaus | Seite 67 |
Fotostrecke „Mitarbeiter*innenprojekt“von Turbo Pascal | Seite 73 |
Im besten Fall bin ich ein VeränderterAndré Benndorff, Melanie Lüninghöner, Martin Weigel und Christoph Frick über Spezialisten, Stadtrecherchen und die Öffnung des Schauspielerberufs im Gespräch mit Bodo Blitzvon Bodo Blitz, Christoph Frick, Melanie Lüninghöner, Martin Weigel und André Benndorff | Seite 80 |
Fotostrecke Dialogvon Dialog | Seite 85 |
Wieviel Mitbestimmung brauchen wir?Der Freiburger Ensemblespieler Martin Weigel spricht mit den Regisseuren Robert Schuster, Heike-M. Goetze und Boris Nikitin über Fragen der Beteiligung an künstlerischen Produktionsprozessenvon Robert Schuster, Heike M. Goetze, Boris Nikitin und Martin Weigel | Seite 90 |
Sein und NichtseinBoris Nikitin im Gespräch mit Martin Weigelvon Boris Nikitin und Martin Weigel | Seite 93 |
Begegnung | |
Halb Affe, halb Maschine, halb Mensch und halbe BieneÜber institutionelle und künstlerische Dimensionen einer Langzeitkooperation zwischen dem Wohnstift Freiburg und dem Theater Freiburgvon Viola Hasselberg | Seite 98 |
Extrem unwahrscheinlichHaslach und Finkenschlag – Die Langzeit bespielung eines Stadtteils und der nicht zu ersetzende menschliche Faktorvon Inga Schonlau | Seite 109 |
Fotostrecke Langzeitbespielung des Freiburger Stadtteils Haslach 2010 – 2013von Maurice Korbel | Seite 115 |
Rede, Streit, DialogÜber die Utopie des Projekts „Eurotopia“ am Theater Freiburg – und die Herausforderung der Realisierungvon Angela Osthoff und Jonas Görtz | Seite 123 |
Vielleicht ist jeder Anfang ein SchockEin Mailwechsel über das Ringen um internationale Theaterbeziehungen zwischen der Regisseurin Emre Koyuncuoglu und der Dramaturgin Viola Hasselbergvon Viola Hasselberg und Emre Koyuncuoglu | Seite 127 |
Kaisers SprechstundeWir müssen reden! Bad-Practice-Beispiele aus elf Jahren Junges Theater Freiburg. Eine Bestandsaufnahme für eine produktive Zukunftvon Michael Kaiser | Seite 136 |
Community Music meets Stadttheatervon Thalia Kellmeyer, Alicia de Bánffy-Hall und Lee Higginszum Online-Extra: Alicia de Bánffy-Hall: Community Music in Deutschland; Lee Higgins: Community Music – ein internationaler Überblick | Seite 140 |
Erbe | |
Wer erbt, interpretiert14 Thesenvon Gerhard Richter | Seite 146 |
Zettelkasten für MorgenNotizen – entstanden beim Denken und Reden mit Viola Hasselberg auf der Theaterterrassevon Barbara Mundel | Seite 148 |
Erbe sein – Erbe habenGedanken zum kuratorischen Konzept von „Depot Erbe“von Anne Kersting | Seite 151 |
Residuen des VerschwindensChristine Litz, Anne Kersting und Harald Welzer im Gespräch über das Projekt „Depot Erbe“ des Museums für Neue Kunst Freiburg und des Theaters Freiburgvon Harald Welzer, Christine Litz und Anne Kersting | Seite 152 |
Fotostrecke Partizipative Architekturenvon Ortreport & Maier/Franz | Seite 157 |
Bei SonnenaufgangJoanne Leighton im Gespräch mit Anne Kersting in der Planungsphase und kurz vor Abschluss der 365-Tage-Performance „Die Türmer von Freiburg“von Joanne Leighton und Anne Kersting | Seite 165 |
Der Groove der Stadtvon Sebastian Matthias | Seite 168 |
Türmer in Zukunftvon Annette Pehnt | Seite 170 |
Fotostrecke „Bye bye, Bambi“von Velvet | Seite 172 |
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